Cannabis-Marathon in der Schlussetappe

Nicht alle sind zufrieden

Viele deutsche Cannabis-Genießer können es immer noch nicht glauben: Tatsächlich biegt der Legalisierungsprozess in die parlamentarische Schlussetappe. Noch vor der Sommerpause kann der Deutsche Bundestag im Juli 2023 die erste Säule des Cannabis-Gesetzes mit Eigenanbau und Anbauclubs sowie der Entkriminalisierung auf den Weg bringen.

Aus der großspurigen Ankündigung im Koalitionsvertrag 2021 von SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften zu vereinbaren, ist eine Gasse mit engen Grenzen geworden. Der Umweg von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) über Europa hat nach Ansicht von Beobachtern viel Zeit gekostet, der nichts zur Sache beigetragen hat.

Ein Anfang Mai 2023 bekannt gewordener Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium hat nicht mehr viel mit der ursprünglichen Idee zu tun. Der freie Verkauf für Erwachsene rückt jedenfalls in weite Ferne. Der Entwurf muss zuerst mit den Ministerien abgesprochen werden und geht nach dem Go aus der Bundesregierung in den Bundestag.

Der positive Aspekt für die Cannabis-Gemeinde: Künftig sollen Kauf und Besitz von maximal 25 Gramm Cannabis ab einem Alter von 18 Jahren grundsätzlich straffrei sein. Auch der Eigenanbau von bis zu drei „weiblichen blühenden Pflanzen“ – geschützt vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendlichen – soll erlaubt werden.

Besonders für die geplanten Cannabis-Clubs soll der Gesetzentwurf laut Medienberichten viele Einschränkungen enthalten. Das Wort „social“ wurde gestrichen, das heißt, es wird nicht mehr gemeinsam geraucht, sondern nur angebaut. Die nicht-gewinnorientierten Vereine mit maximal 500 Mitgliedern dürfen Cannabis zu Genusszwecken anbauen und nur an Mitlieder über 18 Jahren für den Eigenkonsumabgeben abgeben. Im Umkreis von 250 Metern soll demnach kein Cannabis konsumiert werden dürfen. Anbau, Abgabe, Vereinsmitgliedschaft und Organisation der Räumlichkeiten sollen streng reguliert werden. Die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen nicht für sich Werbung machen. Maximal dürfen pro Club-Mitglied 25 Gramm pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat. In der Öffentlichkeit ist der Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten. In Fußgängerzonen darf zwischen 7 und 20 Uhr nicht gekifft werden.

„Die Richtung der Legalisierung stimmt“, findet Wenzel Cerveny vom Cannabis Verband Bayern (CVB), „die Entkriminalisierung ist der wichtigste Schritt.“ Damit hofft Cerveny, Gründer von hanf.com mit 19 Fachgeschäften, auch auf ein Ende der Hexenjagd gegen Hanf- und CBD-Produkte, die maximal einen THC-Wert von 0,3 Prozent haben. Die Gesellschaft wird sich an den Umgang mit Cannabis erst gewöhnen müssen. Trotz der Auflagen werden sich laut Cerveny Plätze zum Anbau in den Cannabis-Clubs finden. „Die Anbauvereine bräuchten keine 1a-Lage in Städten.“

Klaus Holetschek
Klaus Holetschek

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wünscht überhaupt kein Cannabis-Gesetz, lehnt aber prophylaktisch den Gesetzentwurf zu den Clubs als „Bürokratiemonster“ ab. „Der Regelungswahn schreckt ab und öffnet dem Schwarzmarkt Tor und Tür“, meint ein Insider. „Konsumenten gehen dann lieber wieder zum Dealer ihres Vertrauens.“

Eigenanbau und Clubs sind laut Eckpunktepapier die erste Säule, die zweite Säule setzt im nächsten Schritt auf regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten. Unternehmen wird die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe in Fachgeschäften von Genusscannabis an Erwachsene in einem lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmen ermöglicht. Mit dieser Säule sollen die Auswirkungen einer kommerziellen Lieferkette auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt wissenschaftlich untersucht werden.

Kirsten Kappert-Gonther
Kirsten Kappert-Gonther

Bleibt noch ein Punkt offen: Cannabis und Autofahren. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) verweigert bisher eine Anpassung. „Es braucht zu Cannabis und Verkehr eine gesetzliche Regelung mit angepassten THC-Werten, die sicherstellt, dass Personen, die nicht berauscht fahren, künftig keine Angst mehr vor dem Führerscheinentzug haben müssen!“, sagt die Grüne-Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther. Eine Expertenkommission hatte jüngst vorgeschlagen, den Grenzwert von 1 Nanogramm THC pro 100 Milliliter Blut THC auf 3,5 anzuheben. Der Wert müsse wie beim Alkohol so gelegt werden, dass nur berauschte Fahrer bestraft werden, fordert der Deutsche Anwaltsverein.

„Es liegt nun am Parlament, die Fehler zu verbessern“, sagt der bekannte Legalisierungsaktivist Jugendrichter Andreas Müller“, der das „Zwei-Säulen-Modell“ für „Veräppelung“ hält. „Warum nicht gleich ein fertiges Gesetz machen?“

Von Josef König

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