Cannabis kann ein wahrer Segen sein

“Die üblichen Schmerzmittel sedieren nur”

Christian ist Anfang 20 und ein Hanse-Junge aus dem Norden, den es nach Dortmund verschlagen hat, wo er als Informatik-Dozent an einer Uni tätig ist. Für ihn war Cannabis schon ein Genussmittel, bevor es sein Schmerzmittel wurde.

Medijuana: Bitte erzähle uns zunächst von deinen gesundheitlichen Problemen und wie du dabei auf Cannabis als Medizin gestoßen bist.

Christian: Bei mir war es so, dass ich schon mit 13 Jahren angefangen habe, Cannabis zu rauchen – zu dem Zeitpunkt hatte ich noch gar keine gesundheitlichen Probleme. Insofern habe ich als reiner Freizeitkonsument angefangen, der etwa einmal pro Woche etwas rauchte. Als ich 15 wurde, kam dann mein erster Bänderriss – das passiert, wenn du mit dem Fuß um mehr als 90 Grad so heftig abknickst, dass es richtig knackt. Auf beiden Seiten ist mir das im Laufe der Zeit nun schon vier Mal passiert – dadurch hat sich bei mir ein chronischer Schmerz eingestellt, den ich schon immer mit starken Indika-Sorten betäubt habe. Denn wie gesagt – ich rauchte ja schon vor dem ersten Unfall gelegentlich Cannabis. Ich hatte zwar auch von meinen Ärzten verschiedene Schmerzmedikamente bekommen, wie z. B. “Iboprofen 800”, doch die haben mich immer nur komplett geplättet. Ich war praktisch nicht mehr in der Lage, meinen gewohnten Alltag zu leben und habe anfangs auch mit meinen Ärzten darüber gesprochen, welche anderen und möglicherweise besseren Schmerzmittel es da noch so gibt, aber ich fühlte mich von den Ärzten da häufig einfach nicht ganz ernst genommen – sie konnten sich offensichtlich gar nicht vorstellen, was da bei mir passiert. Wenn ich über drei Stunden zu Fuß unterwegs bin, setzt dieser pochende, unterschwellige Schmerz ein, der dann oft noch weiter anschwillt. Ich kriegte dann auch noch weitere Medikamente, die den Schmerz zwar wirkungsvoll bekämpften, mich nebenbei aber auch nahezu apathisch werden ließen – also habe ich dann begonnen, jeden Abend einen Joint zu rauchen. Das halte ich auch heute noch so – was die nötige Dosis für die schmerzlindernde Wirkung betrifft, hat sich da nichts geändert.

M: Hält deine Familie zu dir und kannst du mit ihr auch ganz offen über deine Medizin sprechen?

C: Leider nein – meine Eltern sehen das alles sehr kritisch und lehnen es eigentlich komplett ab. Ich komme aus einem sehr konservativen Haushalt mit vielen strengen Regeln und Cannabis als Medizin zu nutzen war keine von ihnen. Natürlich habe ich versucht, mit ihnen zu reden und habe ihnen auch von meinen persönlichen Erfahrungen mit Cannabis erzählt – allerdings bin ich bei ihnen dabei nur auf völlige Ablehnung gestoßen. Aber ich gebe nicht auf und versuche immer mal wieder aufs Neue – man kann ja nicht immer nur starr auf ein unsinniges Gesetz schauen, was schon viel zu lange existiert. Ich hoffe, meine Eltern werden sich eines Tages doch noch ihr eigenes Bild machen – ich bleibe da jedenfalls dran.

M: Mischst du Cannabis eigentlich mit Tabak oder rauchst du es lieber pur?

C: Ich bin es gewohnt, mit Tabak zu rauchen – erst, als ich mal in Kanada war, wurde mir bewusst, dass es anderswo eher üblich ist, pur zu rauchen. Das hatte ich für mich bis dahin gar nicht als Option gesehen. Da in Kanada alle pur rauchen, habe ich das dann auch probiert und fand es gar nicht so schlecht, denn die gewünschte medizinische Wirkung stellte sich hierbei auch in vollem Umfang ein. Aber als gewohnheitsmäßiger Raucher habe ich dann auch weiterhin Zigaretten geraucht, und so mische ich auch heute noch Cannabis mit Tabak.

M: In Kanada hast du ja wohl auch ganz legal Cannabis als Medizin konsumieren dürfen – wie kam das eigentlich?

C: Ich hatte einfach eine legitime medizinische Begründung für den Konsum – und damit bin ich gleich nach meiner Ankunft in Kanada zu einem einheimischen Arzt gegangen und habe ihm meine Geschichte erzählt. Der Arzt hat mir dann direkt eine entsprechende Empfehlung ausgestellt – wobei man vielleicht dazu sagen muss, dass das in Vancouver war, wo man hinsichtlich Cannabis schon sehr liberal eingestellt ist. Mit dieser Empfehlung konnte ich dann zur nächsten Dispensary gehen und dort Mitglied werden. Als solches konnte und kann ich dort ganz legal medizinisches Marihuana erwerben.

M: Obwohl du gar kein Kanadier bist?

C: Davon wird medizinische Hilfe in Kanada nicht abhängig gemacht – ich musste aber ein paar Mal meinen Reisepass vorzeigen.

M: Konsumierst du deine Medizin hierzulande eigentlich auch ganz legal?

C: Nein, denn ich bin ja Selbstversorger und so weit ist unsere Gesellschaft ja noch nicht. Aber wenn dann die Pflanzen fast reif sind und so richtig intensiv riechen, da mache ich mir schon Sorgen um meinen illegalen Status. Da habe ich dann – übrigens erst vor kurzem – mal darüber nachgedacht, ob ich nicht mal die Bundesopiumstelle kontaktieren sollte, damit die mir das anerkennen. Hier in Deutschland.

M: Einen Versuch wäre es sicher wert, wie ich weiß, versuchen auch andere Patienten schon eine Anbaugenehmigung für die medizinische Selbstversorgung zu erstreiten …

C: Ich glaube, da müsste ich mich erst mal etwas genauer informieren, was da der beste Weg ist – bisher habe ich zu der Thematik immer nur zufällig etwas mitgekriegt. Dabei schien es mir, dass man todkrank sein oder unter höllischen Schmerzen leiden muss, um eine Ausnahmegenehmigung für legales Medizinalcannabis zu kriegen. Im Prinzip wäre ich daran schon interessiert, aber wie gesagt: Die Idee kam mir erst vor kurzem – ich glaube, ich muss mich da erstmal intensiver mit beschäftigen und genauer recherchieren. Erst wenn ich den nötigen Kenntnisstand in der Sache habe, werde ich mich dahingehend entscheiden.

M: Du bräuchtest auf jeden Fall einen Arzt, der deinen Antrag unterstützt – hast du da jemanden?

C: In den vergangenen Jahren habe ich mit einem guten Dutzend Ärzte über meine Schmerzen gesprochen – die meiner Meinung nach aber keiner dieser verschiedenen Ärzte wirklich richtig ernst genommen hat. Wenn die Sprache auf Cannabis kam, waren die meisten regelrecht abgeneigt und manche wiesen mich direkt darauf hin, dass diese Selbsttherapie meinen Führerschein gefährdet.

M: Hast du selbst auch schon mal die repressive Seite unserer Gesellschaft kennengelernt oder hat man vielleicht tatsächlich mal versucht, dir den Führerschein wegzunehmen?

C: Nein, zum Glück noch nicht – aber deshalb will ich auch lieber anonym bleiben und in diesem Artikel besser nicht mit vollem Namen und Foto erscheinen.

M: Wie siehst du heute Cannabis als Medizin und welche Zukunft würdest du dir für diese alte Heilpflanze wünschen?

C: Für mich hat Cannabis einen sehr, sehr hohen medizinischen Stellenwert. In Israel hat man das schon viel besser verstanden – dort werden ja mittlerweile sogar einige Holocaust-Überlebende mit Cannabis versorgt, welches dort eine völlig anerkannte und legitime Medizin ist. Und die guten Ergebnisse bei der Behandlung mit Cannabis sprechen für sich. In Kanada habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie eine Frau, die gerade akut unter Spasmen litt und querschnittsgelähmt war, in einem Rollstuhl in die Dispensary geschoben wurde und komplett neben der Spur war. Ich saß da und wartete mit einigen anderen, als sie heftig zuckend und zitternd an uns vorbeigeschoben wurde – die Frau hatte ganz offensichtlich kaum mehr Kontrolle über ihren Körper. Die Tür ging zu und wie ich später erfuhr, bekam sie eine Pur-Pfeife zu rauchen. Als sie fünf Minuten später wieder herausgerollt wurde, hatte sich das Bild grundlegend geändert: Sie schien vollkommen geheilt – sie hatte keine Spasmen mehr und lachte sogar fröhlich. Ganz offensichtlich ging es ihr richtig gut. In dem Augenblick ist mir klar geworden, dass Cannabis nicht nur für mich, sondern auch für viele andere Menschen ein großer Segen sein kann.

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