Bei Weitem keine Erfolgsgeschichte

Die ersten fünf Jahre der Legalisierung in Uruguay

Ein kleines Land wählte eine revolutionäre Waffe im Krieg gegen die Drogenmafia: Statt die Gesetze zu verschärfen, schuf es den ersten landesweiten legalen Cannabismarkt der Welt! Diese edle Mission brachte jedoch unerwartete Probleme mit sich. Nach Ablauf von fünf Jahren hat die Menschenrechts-organisation WOLA (Washington Office on Latin America) die Ergebnisse und Schwierigkeiten des Pionierunternehmens zusammengefasst.

Seit fünf Jahren richten sich die Blicke aller HanffreundInnen auf das südamerikanische Land, dessen Präsident im Dezember 2013 das anderthalb Jahre zuvor angekündigte Gesetz unterzeichnete, das den landesweiten legalen Cannabishandel ermöglicht. Obwohl KifferInnen in der ganzen Welt den Schritt begrüßten und ihn auch für ihre Länder anstreben, dürfen wir den lokalen Kontext nicht außer Acht lassen. Der damalige Präsident von Uruguay, José Mujica, begründete die Dringlichkeit der Cannabislegalisierung mit drei Motiven. Das Erste ist für viele Länder gültig: Mit erzieherischen und präventiven Begleitmaßnahmen lässt sich die allgemeine gesundheitliche Situation der Bevölkerung verbessern. Zweitens lässt sich der Widerspruch auflösen, dass der Besitz einer geringen Menge Cannabis legal ist, die Beschaffung jedoch als Straftat gilt. Das dritte und zweifellos wichtigste Argument ist jedoch lokalbezogen: Die Schaffung eines legalen Marktes dient dazu, den Einfluss der Drogenmafia und die mit ihm verbundenen Gewalttaten zu verringern. Die Analyse des Washington Office on Latin America (WOLA) untersuchte im März 2018 die Stationen und Ergebnisse der Legalisierung in Uruguay. Nachfolgend geben wir eine Zusammenfassung.

Von der Kokapaste zum Cannabis Club

Nicht das Kokain stellt unter den in Uruguay erhältlichen Drogen die Gefahr Nummer 1 dar, sondern ein billiges Nebenprodukt der Herstellung, die Kokapaste. Das organisierte Verbrechen hatte sich auf die Verbreitung dieser Paste verlegt und auch vor Gewalt nicht zurückgeschreckt. Mujicas Überlegung war folgende: Wenn es wenigstens gelänge, Cannabis von der Palette der Dealer zu nehmen, würde niemandem beim Cannabiskauf mehr Kokapaste angeboten werden. Die Informations- und Präventionskampagne, die mit der Legalisierung einherhing, könnte darüber hinaus KonsumentInnen dahingehend beeinflussen, welche Drogen sie zu sich nehmen, und erreichen, dass es möglichst nicht die schädliche und abhängig machende Kokapaste ist.

Ziel des Gesetzes war es, den gesamten Cannabishandel legal und kontrollierbar zu gestalten. Erster grundlegender Schritt war dabei die Registrierung. Um als volljähriger Bürger von Uruguay in der Apotheke Cannabis kaufen zu dürfen – ja, in Uruguay wird Cannabis auf die Apothekerwaage gelegt – muss er sich auf die Liste der Kaufberechtigten setzen lassen. Dann kann er wöchentlich 10 Gramm bzw. monatlich 40 Gramm von zwei offiziellen Produzenten kaufen. Nach dem Bericht der WOLA machten bisher 22.077 BürgerInnen von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Wer zu Hause anbauen möchte, der darf nach Abschluss der staatlichen Registrierung sechs Cannabispflanzen ziehen, von denen er jährlich maximal 480 Gramm Blüten ernten kann. Von dieser Möglichkeit machten 8.266 BürgerInnen Gebrauch. KifferInnen können außerdem nach spanischem Vorbild Cannabis Clubs gründen. Diese können 15 bis 45 Mitglieder aufnehmen, 99 Pflanzen gleichzeitig ziehen und jedes Mitglied kann jährlich maximal 480 Gramm Cannabis erhalten. Bei Redaktionsschluss des WOLA-Berichts gab es im Lande 83 Clubs. Die Regeln waren im Mai 2014 festgelegt worden – im August des gleichen Jahres begannen die EigenanbauerInnen und die Registrierung der Cannabis Clubs begann im Oktober. Auf den Vertrieb in den Apotheken musste man jedoch bis Juli 2017 warten, weshalb die Registrierten wohl oder übel ihr eigenes Marihuana anbauen mussten. In die Apotheken gelangen nur Sorten von schwacher oder mittlerer Potenz. Keine von ihnen enthält mehr als 10 Prozent THC, während der Gehalt an CBD 6–7 Prozent erreicht. Daher sind sie bei zahlreichen Symptomen medizinisch anwendbar. Der Preis ist dabei mehr als wettbewerbsfähig: Ein Gramm staatliches Cannabis kostet momentan 1,40 $.

Konflikt mit den internationalen Gesetzen

Das Hauptargument gegen jede Legalisierung lautet, dass die internationalen Abkommen gegenwärtig die Errichtung eines staatlich regulierten Cannabismarktes nicht zulassen – ausschließlich den Gebrauch für Medizin und Forschung. Die Regierung von Uruguay argumentiert in diesem Zusammenhang, dass ihre Politik vollkommen im Einklang mit den Drogenabkommen der UNO stehe, deren Ziele – Schutz der Gesundheit und des Wohlergehens – bisher nicht verwirklicht werden konnten. Das Land stellte infrage, dass es möglich ist, die Initiative unter den gegebenen Bedingungen zum Erfolg zu führen, und argumentierte, dass der Cannabiskonsum von Erwachsenen in erster Linie eine Frage der Gesundheit, der Sicherheit und der Menschenrechte sei. Die wahre Gefährdung gehe von den Dealern aus, die gleichzeitig Kokapaste und Cannabis anböten. Die juristischen Implikationen der UN-Abkommen stünden miteinander in Widerspruch und seien den Bedingungen der betreffenden Länder anzupassen.

Uruguay hatte schon früher vor der UNO argumentiert, dass der Schutz der Menschenrechte Vorrang habe vor den Vorschriften der Drogenregulierung. Obwohl dieser Standpunkt stark kritisiert wurde, blieb das südamerikanische Land frei von Sanktionen, wobei auch eine Rolle spielt, dass sich die Aufmerksamkeit stärker auf die legalisierenden US-Bundesstaaten richtete. Bei der Umsetzung der Legalisierungsgesetze traten hier auch interne Probleme auf: Da der Handel in den Apotheken stattfinden muss, erscheinen die Einnahmen in den Büchern, weswegen amerikanische Banken erklärten, dass sie alle Verbindungen mit Apotheken, die Cannabis verkaufen, abbrechen müssten, um nicht der Geldwäsche angeklagt zu werden. Dies bezieht sich auch auf die Bank von Uruguay, die Konten bei amerikanischen Banken unterhält. Wohl oder übel mussten sich die Apotheken auf Bargeld verlegen.

Probleme von Quantität und Qualität

Da wenige Apotheken in Uruguay Einschränkungen im Bankgeschäft hinnehmen wollten, verkauften zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts landesweit zwölf Apotheken Cannabis. Das reicht nicht aus, denn mit den pro Monat eingelagerten zwei Kilogramm Cannabis müssen die Bedürfnisse von 22.000 registrierten BenutzerInnen befriedigt werden. Wenn man bedenkt, dass ein Konsument monatlich 40 Gramm kaufen kann, ist leicht einzusehen, dass der Vorrat von einem Dutzend Apotheken den Monatsbedarf nicht befriedigen kann. Zudem befinden sich fünf der zwölf Apotheken in Montevideo, was weiterhin den Zugang und die gleichmäßige Verteilung erschwert. Da zudem die wenigen erhältlichen Sorten nicht alle Bedürfnisse befriedigen, kamen aus illegal gezüchtetem Cannabis hergestellte Öle und Extrakte in Umlauf. Wegen der Gesetzeslage werden diese gewöhnlich im Internet angeboten. KonsumentInnen wissen daher nicht, was die Produkte genau enthalten. Daher ist die Lage der PatientInnen nicht viel besser als in Ländern, die Cannabis verbieten. Einziger Vorteil ist, dass die Polizei sich selten in solche Transaktionen einmischt, denn sie will die auf dem Markt vertriebenen Produkte überwachen und nicht riskieren, dass die KonsumentInnen sich wegen der Unsicherheit nicht registrieren. Die Grauzone im Internethandel weist auf einen bestehenden Mangel hin. Das erste staatliche Produkt von wirklicher medizinischer Qualität kam erst im Dezember 2017 auf den Markt, in Form eines Extrakts mit einem CBD-Gehalt von 2 Prozent, mit dem nur wenige zufrieden waren. Der Vorsitzende der Endocannabinoid-Gemeinschaft von Uruguay stellte öffentlich die Frage, ob das Präparat in der Lage sei, die Symptome von Epilepsie oder Parkinson zu lindern. Weiterhin wurde kritisiert, dass das benutzte Cannabis nicht aus Uruguay, sondern aus der Schweiz stamme. Mit einer entsprechenden Genehmigung sind ausländische Präparate steuerfrei erhältlich, der Versand kostet jedoch mehr als das Cannabis auf den Inlandsmarkt. Zudem wurde im Oktober 2017 beschlossen, zehn Tonnen medizinisches Cannabis für den Export zu produzieren. Weitere ähnliche Projekte werden für die nähere Zukunft erwartet und wahrscheinlich wird auch in Kürze medizinisches Cannabis aus eigenem Anbau auf dem Markt erhältlich sein.

Vorschläge zur Erneuerung des Systems

Die Legalisierung in Uruguay leidet also unter zahlreichen Kinderkrankheiten, was bei einem ersten Versuch nicht überrascht. Der Bericht der WOLA enthält abschließend Vorschläge zur Verbesserung des gegenwärtigen Systems. Ein Problem könnte damit gelöst werden, nicht nur mit amerikanischen, sondern mit Bankinstituten aus anderen Ländern zusammenzuarbeiten, zu klären, ob sie bereit sind, Geldverkehr aus Cannabishandel abzuwickeln. Kanada bietet sich an, wo im Juli legalisiert wird und ähnliche Bankenprobleme nicht zu erwarten sind. Weiterhin wird geraten, größeres Gewicht auf Aufklärungskampagnen und die Bildung zu legen, besonders im Hinblick auf Ärzte und die Polizeibehörden. Wenn die Ärzte das Potenzial zur medizinischen Anwendung von Cannabis erkennen, könnten Forschungen zu den Konsummethoden durchgeführt werden, zu den Wirkungen und Nebenwirkungen, und dies könnte die Patienten ermuntern, sich öffentlich zu dem Thema zu äußern. Gelegentliche Übergriffe der Polizei auf Gruppenmitglieder und Züchter für den Eigenbedarf zeigen, dass weitere Fortbildungen notwendig sind. Man müsste den Umstand nutzen, dass die Herstellung von medizinischem Cannabis in Uruguay möglich ist – es wäre aber nötig, das Programm auszuweiten, damit eine größere Zahl von PatientInnen in den Genuss von Cannabispräparaten kommt. Es ist unhaltbar, dass Patienten sich aus dem Ausland teure Medikamente auf Cannabisbasis beschaffen. Der legale Zugang müsste verbessert werden – siehe die geringe Zahl von Apotheken. In der gegenwärtigen Situation droht der illegale Cannabismarkt erhalten zu bleiben und sogar zu erstarken. Der niedrige Preis von 1,40 $ für ein Gramm Cannabis lässt auf geringe Steuereinnahmen schließen – somit kann der Markt nicht wesentlich zur Ökonomie des Landes beitragen. WOLA schlägt vor, auch TouristInnen den legalen Cannabiskauf zu ermöglichen. Denn es wäre widersinnig, dass der Staat die einheimischen BürgerInnen versorgt, während die Ausländer den Schwarzmarkt stärken. Internationaler Handel ist natürlich nur dann zu verwirklichen, wenn die zur Verfügung stehende Menge für den Binnenmarkt ausreicht. AusländerInnen würden nur eine kleinere Menge kaufen können und eine zusätzliche Steuer zahlen. WOLA erkennt an, dass es schwierig ist, Pionierarbeit zu leisten. Es sei mit weiteren Hindernissen auf dem Weg zu rechnen. Daher sei es wichtig, dass die Regierung des Landes auf die auftretenden Probleme reagiert. Die Abstimmung mit den Akteuren auf dem Cannabismarkt, mit den Züchtern, den ClubbetreiberInnen, aber auch mit ÄrztInnen und den Polizeibehörden muss fortgesetzt werden, damit die Legalisierung in Uruguay eine Erfolgsgeschichte werden kann.

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