Auch im Alter kann man damit anfangen

Medizinischer Gebrauch im fortgeschrittenen Alter

In den Vereinigten Staaten wächst die Gruppe der CannabispatientInnen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren am stärksten und man kann davon ausgehen, dass dies vorbehaltlich gesetzlicher Regelungen in anderen Teilen der Welt auch so wäre. Es ist daher interessant zu betrachten, aus welchen Gründen AmerikanerInnen der mittleren und älteren Generation Cannabis benutzen und auf welche Weise sie es zu sich nehmen.

 

Laut einer Studie an US-BürgerInnen, die letzten September veröffentlicht wurde, hat sich der Cannabisgebrauch von Menschen im Alter von 60 bis 80 Jahren seit 2006 verdoppelt. Nach einer staatlichen Untersuchung steigerte sich von 2006 bis 2013 die Zahl der CannabisbenutzerInnen im Alter von über 65 Jahren um 250 %. Parallel dazu benutzte fast ein Zehntel in der Altersklasse von 50–64 Jahren im vergangenen Jahr Cannabis und mehr als die Hälfte von ihnen hatte es schon irgendwann in ihrem Leben ausprobiert. Aufgrund dieser hohen Steigerung scheint es so, dass die Älteren zu einer gut informierten Benutzergruppe gehören. Brendon Kennedy, der Leiter von Tilray, einem kanadischen Unternehmen für medizinisches Cannabis, erklärte, dass man der Altersgruppe der über 60-jährigen nach der Legalisierung in den USA große Aufmerksamkeit schenke. Tatsächlich entschieden sich auch viele von ihnen für den Konsum, können wir hinzufügen. Nach den Ergebnissen der Forschungsgruppe Brightfield Group macht in den US-Bundesstaaten Oregon, Colorado, Washington und Kalifornien die höhere Altersklasse ein Viertel aller CannabiskonsumentInnen aus. Die meisten konsumieren es aus medizinischen Gründen.

Weniger Schmerzen, tolerable Nebenwirkungen

Die Älteren benutzen Cannabis hauptsächlich bei chronischen Erkrankungen, beispielsweise zur Linderung von anhaltenden Schmerzen. Eine neue Untersuchung analysierte die Gewohnheiten von 204 älteren PatientInnen in New York, die Präparate mit unterschiedlichen Verhältnissen von THC und CBD verwenden. Die meisten von ihnen haben chronische Schmerzen, aber es gibt auch Krebskranke, Menschen, die unter neuropathischen Schmerzen und Multipler Sklerose leiden, EpileptikerInnen und Parkinsonkranke. Die meisten von ihnen bevorzugen die Präparate als Tinktur, die sie unter die Zunge träufeln. 70 % berichten dabei von einer Linderung ihrer Symptome. Bei der Hälfte von ihnen lassen die chronischen Schmerzen nach, 18 % schlafen besser, bei 15 % nehmen die Nervenschmerzen ab und bei 10 % verringern sich die Angstbeklemmungen. Forschungsleiter Laszlo Mechler sagt, dass die untersuchte Gruppe mehrheitlich die Cannabistherapie als wirksam einstuft, von einer verbesserten Lebensqualität spricht und die Behandlung fortsetzt. Ein Drittel von ihnen klagte über Nebenwirkungen, diese verringerten sich jedoch bei richtiger Dosierung. Nur 3 % waren wegen unangenehmer Nebenwirkungen gezwungen, die Therapie zu beenden. Hinsichtlich der Wirkungen und Nebenwirkungen wurden die besten Ergebnisse mit THC und CBD im Verhältnis von 1:1 erzielt. Mechler ist der Meinung, dass in der Opioidkrise jede Ersatztherapie wichtig ist, insbesondere mit Mitteln, die nicht überdosiert werden können. Bereits im Jahr 2018 zeigte eine Untersuchung, dass in Staaten, in denen medizinisches Cannabis erhältlich ist, bei älteren Menschen der Gebrauch von rezeptpflichtigen Opioiden um 14 % sank.

 

Besonderheiten der Einnahme bei älteren Menschen

Der große Vorteil des Cannabis ist neben den geringeren Nebenwirkungen die Tatsache, dass bei der richtigen Form der Einnahme die inneren Organe nicht geschädigt werden. Mechler merkte an, dass bei älteren Menschen kein Missbrauch feststellbar war. Auch ist nicht zu befürchten, dass aus dem Medikament eine Freizeitdroge wird. Ein weiterer Vorzug ist, dass eine negative Beeinflussung der kognitiven Entwicklung – die als eine der Hauptrisiken des Cannabiskonsums gesehen wird – ebenfalls nicht zu erwarten ist. Ganz im Gegenteil: Nach Untersuchungen zum Alterungsprozess des Gehirns verringert Cannabis durch Aktivierung der Cannabinoidrezeptoren die Gefahr einer Demenz, beispielsweise bei Parkinsonkranken. Obwohl man beim medizinischen Cannabis in den USA meist an dessen Blüten denkt, ist das Cannabisrauchen bei älteren Menschen die am wenigsten verbreitete Form der Einnahme. Viele suchen eine Alternative zu ihren gewohnten Medikamenten und bevorzugen Kapseln und Cremes. Vorteil dieser Einnahme ist die Möglichkeit der genauen Dosierung und Bestimmung des Verhältnisses von THC zu CBD. Auch müssen im Bedarfsfall nur geringe Mengen eingenommen werden. Dadurch ist die Wirkung vorhersehbar und zudem wiederholbar. Die Kapseln können wie gewohnt in Medikamentenverpackungen bezogen werden, ohne Aufsehen zu erregen. Es gibt keinen verräterischen Grasgeruch und man kann auf Vaporizer, Bongs und ähnliche Hilfsmittel verzichten. Diese Altersgruppe bevorzugt die Lieferung ins Haus oder den Kauf in Apotheken – in letzterem Fall sind sie dankbar, wenn sie genauso behandelt werden, wie alle anderen Kunden auch.

Die Unternehmen erleichtern den Bezug

Für die besonderen Bedürfnisse älterer NutzerInnen von medizinischem Cannabis interessieren sich zunehmend auch die produzierenden Unternehmen, da diese sie gerne zu ihren KundInnen zählen möchten. Auf der International Cannabis Policy Conference (ICPC), die letzten Dezember in Wien stattfand, sprach ein Tilray-Fachmann für PatientInnenbedürfnisse über die guten Erfahrungen bei der Präsentation von Cannabis als Mittel zur Behandlung verschiedener Symptome bei älteren Menschen in vielen Ländern. Ein kanadischer Hersteller von medizinischem Cannabis, Canopy Growth, organisiert für SeniorInnen Fahrten zu Cannabisfarmen, wo sie mit eigenen Augen die Pflanzen und die Verarbeitungsmethode sehen können, während sie über die medizinische Anwendung informiert werden. Zusätzlich finanziert die Firma Forschungsarbeiten zur Schmerzlinderung durch Cannabis bei älteren Menschen. Neben vielen Unternehmen denken auch wir, dass in absehbarer Zeit medizinisches Cannabis eine Mainstreamtherapie für ältere Menschen sein wird.

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