Amerika will legales Marihuana

Washington und Colorado haben entschieden

Lange Zeit wurden wir nur als Menschen betrachtet, die ihr eigenes Grasrauchen legitimieren wollen, als gehirngewaschene Hippies und als Hauptfeinde der Demokratie, später sah man uns nur als hoffnungslose Idealisten. Aber der jahrzehntelange Kampf der Legalisierer führte nun zum Ziel: In den Staaten Colorado und Washington errangen sie einen historischen Sieg über das Verbot und erreichten eine legale Regelung für Marihuana.

 

Wer mit den TV-Serien der 90er, aber noch eher mit denen der 2000er Jahre aufgewachsen ist, Komödien vom Typ Harold & Kumar, Weeds – Kleine Deals unter Nachbarn und ähnlich eindringlichen Werken, kann sich nicht vorstellen, wie man ein paar Jahrzehnte zuvor die Legalisierung betrachtet hat, und auch das Kiffen selbst. Denn gut vierzig Jahre betrachtete man Marihuana zusammen mit LSD als Gift und Verderbnis für den Verstand der Jugend, machte aus nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft Blumenkinder, die gegen tägliche acht Stunden Fron den Aufstand probten, sangen und tanzten. Wie sehr die amerikanische Gesellschaft mit der 1971 von Nixon verkündeten Idee des “Krieges gegen die Drogen” übereinstimmte, zeigen die zeitgenössischen Gallup-Umfragen deutlich. Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre waren mehr als 80% der Amerikaner der Meinung, dass Marihuana verboten werden müsste. Die Zahl stagniert seit Mitte der 70er Jahre bei 75%. Seit Mitte der 90er Jahre geht die Unterstützung der Legalisierung steil nach oben, sodass sich 2010 (innerhalb des Unsicherheitsfaktors) die Meinungen die Waage hielten. Da versuchte es der große Alte der “medical states”, Kalifornien, wo schon seit fünfzehn Jahren Cannabis in Apotheken vertrieben wurde, mit einer Volksabstimmung über die Legalisierung. Die Initiative scheiterte schließlich an ein paar Prozent, was eindeutig zeigt, dass die Legalisierung mit einer etwas stärkeren Kampagne und glaubwürdigeren Nachrichten hätte erreicht werden können.

Wenn man einen Kopf abschlägt, wachsen drei neue nach.

Die Unterstützer des Drogenverbots konnten sich nicht lange über das Scheitern der Volksabstimmung freuen. 2012 machten weitere drei US-Staaten beim Legalisierungsspiel mit: Oregon, Colorado und Washington. Oregon und Washington hatten 1998 und Colorado ab 2000 den Gebrauch von Marihuana für medizinische Zwecke gestattet, daher hatten alle drei bereits Erfahrungen und verfügten über ein realistisches Bild, wie der Alltag mit erlaubtem Grasrauchen aussehen könnte. Die Argumente sind hinreichend bekannt:

– Cannabisgebrauch birgt weniger Gesundheitsrisiken in sich als der von Alkohol oder Tabak,

– Besteuerung und legaler Vertrieb würden viele tausend Arbeitsplätze schaffen und echte Zusatzeinnahmen für den Staat bedeuten,

– mit kontrolliertem Vertrieb würde die Macht der Drogenkartelle, die sich derzeit blutige Kämpfe liefern, erschüttert,

– die Polizei könnte sich endlich statt mit den Konsumenten und den kleinen Dealern mit den organisierten Verbrechern beschäftigen usw.

Gar nicht davon zu reden, dass es höchste Zeit ist, eine Alternative auszuprobieren – anstelle des Verbots, das Jahr für Jahr Milliarden Dollars verschlingt und nichts weiter bringt als die Inhaftierung von vielen hunderttausend Konsumenten. Die wahre Entwicklung besteht darin, dass für die Bürger der USA nach langen Jahren des importierten Drogenkrieges schließlich die obigen Argumente überzeugend sind und in mehreren Staaten diejenigen die Übermacht stellen, die den Wandel für gekommen sehen.

Die Bürger von Colorado und Washington schrieben am 6. November Geschichte mit ihrer Entscheidung für die Legalisierung. Damit lassen sie auch das holländische System hinter sich, wo der Marihuana-Handel nur geduldet wird, aber die Regulierung von Produktion und Handel bei Weitem nicht so ausgearbeitet ist wie beispielsweise bei den alkoholischen Getränken.

Regulierter Markt

Der Regulierungsplan der beiden Staaten stimmt in mehreren Punkten überein. Das Maximum für den Besitz von Marihuana für den persönlichen Gebrauch liegt bei eine Unze, etwa 28 Gramm, das man ab 21 Jahren an den eingerichteten Verkaufsstellen erhalten kann. Ein Unterschied besteht jedoch darin, dass es in Colorado staatlich betriebene Marihuana-Plantagen geben wird, in Washington jedoch die Cannabisanbauer ihre Produkte an lizenzierte Verarbeiter und Wiederverkäufer absetzen können. In Colorado kommen die ersten 40 Millionen Dollar dem Schulbaufond zugute; was darüber hinausgeht, fließt in den Haushalt. Washington hingegen legt mehr Gewicht auf das Gesundheitswesen, daher werden aus der eingehenden Marihuana-Steuer jährlich 125.000 Dollar für die Forschung, 50.000 für soziale und medizinische Berichte und 5.000 für die Online-Prävention verwendet. Darüber hinaus stehen 1,5 Millionen Dollar der Staatlichen Alkoholaufsichtsbehörde zu, die davon 15% für die Drogentherapie, 10% für die Vorbeugung, 50% für den Washingtoner Gesundheitsplan und 5% für die allgemeine Versorgung ausgeben wird. Eine spektakuläre Veränderung im Vergleich dazu, dass die Kartelle bisher die Cannabis-Milliarden eher für Korruption, Erhöhung des Einflusses, Waffen und die Schaffung eines für einen gewöhnlichen Sterblichen unvorstellbaren Luxus verwendeten.

Sie verstehen es, scheißen aber darauf

Und wie und was waren die Reaktionen? Neben den Gratulationen traf auch das erste Kommuniqué der amerikanischen Anti-Drogen-Behörde ein, allgemein bekannt unter dem Namen DEA, die eilends mitteilte, dass man hier ruhig Marihuana-Träumen nachhängen könne – über die Legalisierung abstimmen und so weiter – doch solange Cannabis auf der Verbotsliste des Bundes stehe, werde die Polizei entsprechend vorgehen. Das jedoch erschien schon im November als unwahrscheinlich. “Obwohl die I-502 (Legalisierungsinitiative in Washington – Anm. d. Verf.) erst am 6. November zu existieren beginnt, hat es keinen Sinn mehr, bei solchen Dingen Nachforschungen anzustellen, die in einem Monat schon legal sein werden”, widersprach der oberste Staatsanwalt von King County den Visionen der DEA ein paar Tage nach der Abstimmung über die Legalisierung. Dan Satterberg bestärkte seine Aussage mit der Mitteilung, dass innerhalb von wenigen Tagen schon 175 solcher Fälle fallengelassen worden seien, in denen man Erwachsene über 21 Jahren mit weniger als einer Unze Gras geschnappt hatte, für die man früher teilweise eine Gefängnisstrafe verhängt oder sie als Straftat registriert hätte. Nach dem Grund für die große Eile gefragt, zeigte sich der oberste Staatsanwalt als makelloser Demokrat: “Als über die politischen Veränderungen abgestimmt wurde, hatten die Menschen nicht das Eintrittsdatum der neuen Regelung vor Augen. Laut und klar gaben sie zu verstehen, dass wir den Besitz einer geringen Menge Marihuanas nicht als Gesetzesverstoß ahnden sollen.” Mark Lindquist, der oberste Staatsanwalt von Pierce County, ebenfalls im Staate Washington, teilte mit, dass die Anklagebehörde sich mit 50 Fällen nicht weiter beschäftigen werde. Von nun an konzentriere man sich auf die Fälle, in denen der Besitz einer geringen Menge als zweiter Tatbestand neben einer anderen Straftat steht.

Dass sich diese Sichtweise auch auf die übrigen Countys von Washington und Colorado verbreitet, darüber besteht kein Zweifel – bereits zwei Wochen nach der Abstimmung erklärten die Staaten Rhode Island und Maine, eine Volksabstimmung über Cannabis in die Wege zu leiten.

Nach dem Marijuana Policy Project bereiten Vermont und Massachusetts Ähnliches für das kommende Jahr vor, und sie können kaum das schmollende Kommuniqué der DEA erwarten: “Okay, wir sehen ein, dass die Mehrheit der Amerikaner wirklich die Legalisierung will.”

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