Smokenhagen

Dänemarks erster Coffeeshop

Minimalistisches Design: eine winzige Waage auf dem Tisch, auf ihr braune Brocken, daneben aus einem Heft gerissenes, in der Mitte gefaltetes Papier mit der Aufschrift “Maroc” – ungefähr dieser Anblick empfing die dicht gedrängten Ankömmlinge an dem in letzter Minute zusammengestoppelten Stand von Smokenhagen. Der freudig paradierende Besitzer trug eine Mütze mit der Aufschrift “Addict” und stellte sich vor unsere Kamera, um einen Bericht über die Geschichte des ersten dänischen Coffeeshops und die Gründe für seine Teilnahme an der Cultiva zu geben. Khodr Mehri hörte während des Interviews nicht auf zu drehen.

Medijuana: Wir wissen, dass in Kopenhagen ein Coffeeshop eröffnet wurde, den die Polizei noch am gleichen Tage schloss. Würdest du uns die ganze Geschichte erzählen? Denn die Nachrichten machen nicht ganz klar, was eigentlich genau passiert ist.

Khodr “Cutter” Mehri: Wo habt ihr das denn gehört? Das ist tatsächlich nicht die ganze Geschichte. Vor einem halben Jahr bekam ich die Schlüssel zu den Geschäftsräumen, wo ich den Coffeeshop eröffnen wollte. Ich begann zu streichen und den Raum nach meinen Vorstellungen umzugestalten, und vor zwei Monaten – als wir eigentlich schon angefangen hatten – kamen auch die ersten Besucher. Wir verkauften Haschisch, Gras, Kaffee, alkoholfreie Getränke, es gab Community-Events, alles funktionierte perfekt. Da ging ich zu einer Fernsehdiskussion, wo die Legalisierung und mein Coffeeshop das Thema waren. Während der Debatte wurde auch eine Abstimmung abgehalten, wobei die Mehrheit für die Notwendigkeit einer Legalisierung stimmte. Am Tag danach kam die Polizei in meinen Coffeeshop. Nach dem Schild an der Tür war der Ort geschlossen und öffnete offiziell erst am 10. November. Als die Polizei klopfte, ließ ich sie herein und fragte, wie ich helfen kann. Sie teilten mit, dass wir uns nicht im Coffeeshop aufhalten und kein Haschisch rauchen dürften, was ich nicht verstand, weil er ja noch nicht offiziell eröffnet worden war. Wir arbeiteten gerade an der Dekoration. Zusammen mit unserem Grafiker, der gerade da war, waren wir insgesamt vier. Sie sagten, dass wir keine Erlaubnis hätten, Getränke zu verkaufen, daraufhin erwiderte ich, dass es gegenwärtig ein privates Mietobjekt ist, weil wir noch nicht geöffnet haben. Da verschwanden sie, und am nächsten Tag lasen wir in den Zeitungen, dass die Polizei den Coffeeshop geschlossen hat. Das ist ein Witz. Da gab es noch nichts zu schließen. Seitdem wir geöffnet haben, gab es ein paar Klubveranstaltungen, und wir erwarten unsere Besucher und die Käufer 24 Stunden am Tag. Natürlich erwarte ich noch mehr Probleme.

M: An was für Probleme denkst du?

KM: Vor ein paar Wochen sagte die Polizei dem Hauptmieter, dass er ein paar Jahre Gefängnis riskiert, wenn er uns nicht rauswirft. Daraufhin rief uns sofort der Besitzer an, wir sollten den Laden kaufen oder einpacken. Die Polizei kann nämlich den Vermieter ständig schikanieren. Wir bräuchten also so viel Geld, wie wir gerade nicht haben. Vor ein paar Tagen stellte sich heraus, dass wir mehrere Zehntausend Euro irgendwoher auftreiben müssen. Wenn wir das nicht schaffen, können wir uns von dem Laden verabschieden.

M: Habt ihr nicht erwartet, dass die Polizei wieder auftaucht, wenn ihr den Laden eröffnet und Haschisch verkauft, um nach einer Erlaubnis zu fragen?

KM: Bisher gab es keine Erlaubnis dafür, Kuchen, Erfrischungsgetränke und andere Dinge zu verkaufen, die man in einem anständigen Café bekommt, aber die haben wir jetzt besorgt. Natürlich wird es uns nie erlaubt werden, Marihuana und Haschisch zu verkaufen, aber als Erwachsene haben wir das Recht zu tun, was wir wollen. Wenn die Polizei anklopft, müssen wir für unsere Rechte eintreten, ihnen sagen, sie sollen uns in Ruhe lassen, und wenn wir vor Gericht gestellt werden, dann gehen wir. In der Zwischenzeit erledigen wir unsere Aufgaben, schaden niemandem in Kopenhagen. Wir funktionieren als Ort, wo man in eine sichere Umgebung einkehren kann, wo es angenehme Geselligkeit gibt und wo man gegebenenfalls auf dem entsprechenden Wissen basierende Beratung bekommen kann. Wo man sitzen kann, einen Joint rauchen, einen leckeren Kuchen essen und sogar Mitglied unseres Fußball- oder Basketballteams werden kann. Die ganze Idee ist Community-basiert, das wollen wir nicht aufgeben.

M: Wie ist die Situation jetzt in Christiania? Funktioniert auch jetzt noch der Vertrieb untereinander?

KM: Christiania ist Christiania, genau so, wie es gegründet wurde.

M: Ja, aber in den letzten Jahren hat die Polizei versucht, den Frieden der Hippiekommune mit Razzien zu stören.

KM: Es gab immer Razzien, aber die halten unsere Tätigkeit nicht auf, so eine Razzia hat einen spürbaren Effekt von etwa 1-2 Stunden, dann ist alles wieder in seinem ursprünglichen Zustand. Die Bewohner des Stadtteils haben Christiania gekauft und machen dort, was sie wollen.

M: Wie seid ihr mit einem Stand auf die Cultiva gekommen? Außer dem genannten Medical Marihuana Radtourplakat gibt es überhaupt nichts anderes. Haben sie euch eingeladen oder seid ihr nur so hierher gekommen?

KM: Unsere Freunde von Paradise Seeds haben diese Radtour organisiert, und als wir uns wegen Samen trafen, haben sie erwähnt, dass sie auf die Cultiva kommen. Sie schlugen vor, dass wir auch an der Hanfmesse teilnehmen. Das schien mir eine gute Idee, daher haben wir vor einer Woche mit dem Veranstalter der Cultiva gesprochen, dass wir zusammen einen Stand mieten.

M: Ich denke, es war nicht vereinbart, dass ihr Haschisch verkauft?

KM: Nein, das wurde überhaupt nicht erwähnt. Ich sage diesem Kerl da (deutet auf einen Kollegen) eigentlich jeden Tag, dass er das nicht machen darf, aber er hört einfach nicht auf mich (beide lachen). Ich glaube, er denkt, an je mehr Leute er was verkauft, desto geringer ist die Gefahr, dass die Polizei über uns herfällt. Also übt er eigentlich nur sein Recht auf Freiheit aus.

M: Was sagen eure Besucher, wenn sie die braunen Klumpen sehen?

KM: Ich sehe nur, dass die Menschen meinen Kollegen um Hilfe anbetteln. “Bist du glücklich oder willst du was rauchen?” (fragt er plötzlich einen Käufer, der rot anlaufend mit einem halben Lächeln versucht, unserer Kamera zu entkommen). Also, Wien bräuchte auch einen Coffeeshop, zumindest sehen wir das so.

M: Ist das eine Nachricht an die Wiener und konkret an die Besucher der Cultiva?

KM: Man sieht eindeutig, dass in Österreich eine ernsthafte Hanfindustrie entstanden ist. Uns haben im Coffeeshop schon österreichische Gäste besucht, auch solche, die geschäftlich unterwegs waren und nur zufällig den Laden entdeckt haben, aber auf einen Joint reinkamen. Schau mal, wenn du in einer Kultur lebst, wo die Gefängnisse fast Hotels ähneln, dann müsste in Wien auch jemand mit einem sauberen Führungszeugnis genügend Geld haben, um einen Coffeeshop aufzumachen, wo jeder auf einen Kaffee einkehren kann und wo er ein paar vorgedrehte Joints findet. Innerhalb kürzester Zeit zieht dieser eine Coffeeshop hunderte andere nach sich. Wenn sie dich schnappen, sitzt du ein paar Monate, wenn nicht, kannst du gutes Geld damit machen.

M: Was denkst du über die Verwendung von Marihuana für medizinische Zwecke?

KM: Ich respektiere die Bedürfnisse all jener, die sich wegen ihrer Krankheiten dem Cannabis zuwenden, aber ich bin nicht krank, ich rauche, um high zu werden. Das ist meine Motivation, und ich will nicht zum Arzt und simulieren, um Marihuana rauchen zu können. Ich glaube, dass die Mehrheit der Dänen wie ich Gras raucht, um Spaß zu haben und sich wohl zu fühlen, dass sie den rekreativen Gebrauch frei ausüben möchten. Wir wollen keine Apotheken, sondern solche Coffeeshops, wo man Waren in guter Qualität bekommt, mit viel Service, nützlichen Ratschlägen und Informationen, wo sogar die Kranken einkehren und ihre Medikamente bekommen. Ich möchte aber nicht auf die Kranken bauen und unterstützen, dass jemand, der rauchen will, sich krank stellen muss. Ich bin mir im Klaren darüber, dass es ein Heilmittel ist, da stimmen auch schon die dänischen Ärzte und Politiker zu, trotzdem rauchen neunzig von hundert Dänen, um high zu werden.

M: Wie siehst du die Zukunft? Werden sich die Coffeeshops in Dänemark weiter verbreiten?

KM: Wenn es losgeht und sie eröffnet werden, dann wird es sich wie ein Feuer ausbreiten, aber wenn niemand etwas tut, wird es schwer. In der Welt geht es darum, dir einen Weg zu bahnen zur persönlichen Freiheit. Wenn es nach den Führern der Welt geht, kannst du die nächsten 25 Jahre nicht auf Facebook schreiben: “Fuck you, George Bush!” und darfst kein Bild von dir hochladen, auf dem du gerade kiffst, weil sie es in zwei Minuten gefunden haben, und wenn du nicht nett bist, sperren sie dich ein. Deshalb sollen die Leute nicht auf morgen warten, sondern noch heute sagen: Wir eröffnen Coffeeshops, und alles tun, was Teil ihrer persönlichen Freiheit ist – nicht nur in Verbindung mit Cannabis, sondern mit allem. Wenn das nicht geschieht, dann sehe ich für die Zukunft schwarz. Wenn tausend Menschen vor der Polizeidirektion in Wien erscheinen und sagen, dass sie gestern 10 Gramm Haschisch verkauft haben, was können die dann tun? Alle Tausend verhaften? Quatsch, sie werden sagen: “Geht nach Hause.” Apropos, möchtest du etwas marokkanisches Haschisch?

 Jack Pot

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